Nein zur Telematik!                                                             im April 2019

Die Behandlungsunterlagen meiner Patienten, sowohl die schriftlichen wie auch die elektronisch gespeicherten, werden von mir gemäß den gesetzlichen Vorgaben sicher verwahrt. Dritte erhalten Kenntnis von diesen Daten nur mit Zustimmung der Betroffenen. Meine Gesprächsnotizen gebe ich grundsätzlich nicht an Dritte weiter. (Siehe auch die Angaben unter Datenschutz)

Die Sicherheit dieser Daten ist allerdings in Zukunft durch die Telematik auf eine Weise gefährdet, die nicht mehr im Bereich der einzelnen Behandler (Ärzte, Psychotherapeuten, Zahnärzte, Kliniken und Apotheker) liegt. Ab dem 1. 7. 2019 sind alle Behandler im Bereich der vertragsärzlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung gesetzlich verpflichtet, ihre Praxen bzw. Behandlungseinrichtungen an die sog. Telematik-Infrastruktur anzuschließen. Die gesetzliche Grundlage dafür ist das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ vom 21. Dezember 2015, das sog. E-Health-Gesetz (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr. 54, 28. 12. 2015, S. 2408 bis S. 2423).

Ich habe von Anfang an den Anschluss an die Telematik-Infrastruktur verweigert. Die Zumutung, Informationen von und über meine Patientinnen und Patienten einer anonymen externen Cloud anzuvertrauen, war auch ein wesentlicher Grund, meine Kassenzulassung zurückzugeben.

Über die Bedeutung und die Folgen des Gesetzes zur Telematik hat es keine ernsthafte und schon gar keine kritische Diskussion in der Öffentlichkeit gegeben.

Durch die Telematik-Infrastruktur wird ein sogenanntes „Virtuelles privates Netzwerk“ (VPN) eingerichtet, das zwar internet-basiert, aber gegenüber dem „normalen“ öffentlichen Internet abgeschottet ist. In dieses Netzwerk sollen Daten der über 70 Millionen Mitglieder der Gesetzlichen Krankenkassen einfließen und so der Austausch zwischen verschiedenen Behandlern auf einem sicheren elektronischen Weg erleichtert werden. Abgesichert werden diese Daten u. a. durch eine Verschlüsselung. Der Schlüssel zu dieser Verschlüsselung befindet sich auf der Gesundheitskarte, die zusammen mit dem Heilberufsausweis des Behandlers den Zugang den im VPN abgespeicherten Daten des jeweiligen Patienten ermöglicht. Die Daten dieser „Cloud“ befinden sich auf den Servern der Krankenkassen. Speicherung aber auch Löschung der persönlichen Daten in der „Cloud“ sollen für den Patienten zusammen mit seinem Arzt/Behandler möglich sein. Die Speicherung selbst soll der Zustimmung des Patienten bedürfen.

Zunächst geht es nur um die Speicherung der sog. „Stammdaten“, d. h. Namen, Geburtsdatum, Adresse, Geschlecht, Versichertennummer etc. Mit dem erstmaligen Einlesen der Gesundheitskarte im aktuellen Quartal findet ein sog. „Stammdatenabgleich“ statt, bei dem eine Verbindung zur Kranken-kasse hergestellt und die Gültigkeit der Gesundheitskarte überprüft wird. Im nächsten Schritt soll die sog. „elektronische Patientenakte“ hinzukommen, in der medizinische und psychotherapeutische Daten erfasst werden, d. h. Befunde, Behandlungsmaßnahmen, Medikation etc..

 

Bedenken

Wenn es zutrifft, dass Daten das „Gold unserer Zeit“ sind, dann wird hier gerade ein ungeheurer Reichtum angehäuft auf dessen Verwendung die Betroffenen, d. h. die gesetzlich Krankenversicherten, am Ende wenig Einfluss haben werden. Andererseits wird es viele geben, die am Zugriff auf diese Daten großes Interesse haben.

Nachdem in der Vergangenheit bereits die elektronischen Kommunikationssysteme von Regierungen und großen Konzernen von Hackern erfolgreich angegriffen wurden, besteht wenig Grund zu der Annahme, dass das beim Telematik-Netzwerk auf Dauer ausgeschlossen werden kann. So wurden in den letzten Jahren in den USA, in Norwegen und in Großbritannien, neuerdings auch in Frankreich, aus vergleichbaren Systemen in großem Stil Patientenakten „gestohlen“ und z. T. für erpresserische Zwecke verwendet.

Mindestens genauso bedenklich ist aber, dass mächtige Interessengruppen, etwa die Pharma- und Medizingeräteindustrie Zugriff auf diese Daten bekommen könnten, sei es auch nur in anonymisierter Form. Soweit dazu bis jetzt gesetzliche Beschränkungen bestehen, können diese Beschränkungen unter geänderten politischen Bedingungen durch Gesetzesänderungen aufgehoben werden. Ein - wenn auch beschränkter - Zugang für die Krankenkassen besteht bereits jetzt.

Ähnliche Bedenken müssen auch für die Freigabe dieser Daten für die Forschung gelten. Wer wird solche Forschungen kontrollieren? Wer will ausschließen, dass aus der Auswertung dieser Daten Algorithmen entwickelt werden, die das Leistungsspektrum unserer Krankenkassen verändern? Zu wessen Nutzen und zu wessen Lasten, z. B. bei Krankheiten mit schlechter Prognose oder Rückfallgefahr?

Ich werde mich, soweit es in meiner Macht steht, weiter der Beteiligung an der Telematik verweigern. Die Risiken sind zu schwerwiegend und berühren die bürgerlichen Grundrechte. Und es kann auch nicht meine Aufgabe sein, die Gültigkeit der Gesundheitskarten meiner Patienten zu überprüfen. Ich überprüfe auch nicht die Gültigkeit ihrer Personalausweise. Überdies ist irgendein Nutzen oder Vorteil für die psychotherapeutische Behandlung nicht zu erkennen.

Denken first – Digitalisierung second

Nur die Datenbank, die nicht existiert, kann nicht geknackt werden.

Weitere Informationen finden Sie bei:

Dieter Adler (Hg.) Gesundheitsdaten online – Elektronische Patientenakte und Telematik,    1. Auflage 2019, Netzwerkverlag des deutschen Psychotherapeuten Netzwerks dpnw, BoD – Books on Demand, Norderstedt

Hoch informativ zur Digitalisierung allgemein ist das Buch der Vorstandsvorsitzenden der entega Marie-Luise Wolff, "Die Anbetung - Über eine Superideologie namens Digitalisierung" aus dem Frankfurter Westend-Verlag, 2020. weiter:

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Digitales Unbehagen: Risiken, Nebenwirkungen und Gefahren der Digitalisierung, 2020, mvgverlag

www.telematik-in-der-praxis.de

www.aerzteblatt.de/nachrichten/102099